Vor genau zwei Tagen berichtete der SPIEGEL über einen ungewöhnlichen Vorfall: Automobilkonzern Daimler soll sich bei Sixt ein Tesla Model X ausgeliehen und diesen anschließend völlig ramponiert zurückgegeben haben. Der Besitzer des Fahrzeugs, ein Kleinunternehmer, der seine drei Tesla als Nebenerwerb über Sixt vermietet, könnte auf den Großteil der Kosten sitzen bleiben.
Es war ein Strafzettel, der den deutschen Automobilkonzern überführte
Als der Besitzer des Tesla, Manfred van Rinsum, sein Fahrzeug nach mehreren Wochen Miete Ende August wiederbekam, war er den Tränen nahe, wie er gegenüber DIE WELT mitteilte. Sein Model X hatte Schrammen, Beulen und Kratzer. Beschädigte Fahrzeugteile wurden entweder mit Tapeband verklebt oder lagen abgerissen im Innenraum verstreut.
Im Handschuhfach seines Tesla fand van Rinsum einen Strafzettel, der am 11. Juli 2017 um 8.40 Uhr im Mercedes Benz Technology Center in Sindelfingen ausgestellt wurde. Auf dem Strafzettel stand, dass der Fahrer in der „Lkw-Logistikzone westl. von Geb. 20/3“ falsch parke. Da van Rinsum selbst nie dort war, fing er an, Verdacht zu schöpfen.
Gesamtschaden beläuft sich auf über 80.000 Euro
Van Rinsum ließ sein Model X bei der Dekra in München durchchecken. Bei der Schadensaufnahme wurde festgestellt, dass das Fahrzeug weitgehend zerlegt und nur notdürftig wieder zusammengebaut wurde. Außerdem erschien kurz nach Rückgabe die Fehlermeldung im Fahrzeug, dass der Antrieb gewartet werden müsste. Laut Tesla sei das ein Indiz dafür, dass man das Fahrzeug auf einer Rennstrecke getestet und beschädigt haben muss. Laut Gutachten beläuft sich der Gesamtschaden, einschließlich aller Kosten und des Mietausfalls, bei 83.523,35 Euro.
Jedes Tesla speichert GPS-Daten über den Standort des Fahrzeugs. Die im Fahrzeug ausgewerteten GPS-Daten sollen belegen, dass das Tesla Model X, möglicherweise auf einem Hänger, bis nach Barcelona gekommen ist. In der Nähe von Barcelona befindet sich eine bekannte Rennstrecke für die Autoindustrie. Insgesamt sei man mit dem Fahrzeug fast 4.000 Kilometer gefahren. Laut Mietvertrag sind jedoch maximal 1.500 Kilometer erlaubt.
Sixt zahlte nur rund 18.500 Euro an Geschädigten
Sixt hat dem Geschädigten rund 18.500 Euro gezahlt und damit die Angelegenheit offenbar als erledigt angesehen. Auch wenn ein Sixt-Mitarbeiter sogar andeutete, dass das Fahrzeug an Daimler weitergereicht wurde, und Sixt nach mehrmaliger Beschwerde von van Rinsum in einem Schreiben vom 13. Oktober zusagte, die Angelegenheit zu prüfen – passiert ist nichts.
Die Zweiwochenfrist zur Regulierung des Schadens ist längst abgelaufen und weder Sixt noch Daimler sehen sich irgendeiner Verantwortung entgegen. Auf dem Klageweg hätte der Geschädigte keine Chance, denn die Rechtsabteilungen der großen Konzerne könnte einen Rechtsstreit wie diesen endlos in die Länge ziehen. Van Rinsum fehle das Geld, um Daimler und Sixt zu verklagen.
Anmietung von Fahrzeugen in der Autoindustrie ein „üblicher Vorgang“, sagt Daimler
Daimler gibt währenddessen nicht offiziell zu, den Tesla ausgeliehen zu haben. Nichtsdestotrotz teilte man auf Anfrage mit, dass die „Anmietung von Fahrzeugen für Vergleichsfahrten ein üblicher Vorgang“ in der Automobilindustrie sei. „Werden die Fahrzeuge während der Miete beschädigt, kommt die Versicherung zum Tragen, und es wird eine Schadensregulierung vorgenommen“, heißt es in der Stellungnahme.
Sixt dient für solche Mietinteressenten offenbar als Vermittler, schließlich soll nicht jeder erfahren, wer der eigentliche Mieter ist. Zwar besitzt Daimler, wie viele andere Hersteller auch, eigene Tesla-Fahrzeuge, doch diese wurden zu der Zeit offenbar für andere Zwecke genutzt. Manchmal braucht man eben weitere Modelle, und die werden dann angemietet.
Ob Daimler, Sixt und Manfred van Rinsum eine Lösung finden, die alle Parteien zufriedenstellt, wird sich zeigen. Auf den aktuellen Medienrummel könnten wohl alle Beteiligten verzichten, ganz besonders der deutsche Automobilkonzern.